Aus der Insolvenz zum weltweiten Player
Aus dem Bergwinkel in 43 Länder der Welt:
Das bis 1990 von Familie Ziegler geführte Unternehmen Immergut aus Schlüchtern ist mittlerweile ein weltweiter Big Player in der Abfüllung. Die Entwicklung von der familiengeführten Molkerei zu einem führenden Unternehmen im Co-Packing war ein Weg mit Höhen und Tiefen inklusive einer Insolvenz. Besonders stolz ist Immergut, dessen internationalen Weg Geschäftsführer Dirk Denhard und Prokurist Harald Pohl im Gespräch skizzieren, auf die seit vielen Jahren konstant bestehende internationale Wirtschaftsbeziehung mit China.
Der Startschuss zur internationalen Karriere fiel 1990 mit der Entscheidung, die Molkerei an Nutricia zu verkaufen. „Harald Ziegler hatte das gemacht, um die Zukunft zu sichern. Damit hat er aber auch das internationale Geschäft ins Rollen gebracht“, erklärt Dirk Denhard, der seit 33 Jahren bei Immergut arbeitet und seit 21 Jahren Werksleiter ist. Damals produzierte Immergut beispielsweise Schokomilch für die Niederlande und später auch andere Getränke für Teile Europas. Auf den guten Start folgten allerdings schwere Jahre, zunächst wurde Immergut 2001 an Berghof und danach noch ein paar Mal verkauft. 2004 und 2005 folgte mit der Insolvenz der Tiefpunkt, aber nicht das Ende. Während der Insolvenzverwalter dem Unternehmen nur noch wenige Tage gab, fanden die Verantwortlichen im Safe Aktien im Wert von einer halben Million Euro. Damit schaffte Immergut einen Aufschwung und kam zu einer Erkenntnis, die das Selbstverständnis des Unternehmens bis heute prägt: „Wir sind gut in den kleinen Nischen des Co-Packings, besser gesagt in lang haltbaren Spezialprodukten wie beispielsweise enterale Ernährung. Wir können zum Beispiel auch lang haltbaren Joghurt, der keiner Kühlkette unterliegt und damit für den langen Transport geeignet ist“, fasst Harald Pohl, der seit 18 Jahren seine Tatkraft für die Molkerei aus dem Bergwinkel zur Verfügung stellt, die grundlegende Philosophie zusammen.
Dazu kämen laut Pohl und Denhard ein Netzwerk aus zuverlässigen Lieferanten und Partnern in den jeweiligen Exportländern sowie ein guter Internetauftritt – und die langjährige Zusammenarbeit mit Tetra Pak. Bis 2007 blieb das internationale Geschäft der Lohnabfüllung auf das westliche Europa und Skandinavien beschränkt. Das änderte sich mit dem Einstieg der Bauer-Gruppe. „Wir haben uns dann auf bestimmte Wachstumsbereiche fokussiert – wie der medizinischen, diätetischen und proteinreichen Ernährung. Dann haben wir richtig losgelegt“, so Harald Pohl. Jener zuvor erwähnte lang haltbare Joghurt wird übrigens im Bergwinkel für den asiatischen Markt produziert. Dort, speziell in China und auch in Hongkong, ist Immergut seit etwa zehn Jahren konstant am Markt präsent. Ein Aspekt, auf den die beiden Geschäftsführer besonders stolz sind. „Der chinesische Markt ist, auch politisch gesehen, einer der schwierigsten. Dass wir dort schon seit zehn Jahren erfolgreich sind, ist schon eine Leistung. Dabei können wir uns auf gute Partner vor Ort verlassen, was natürlich auch für andere Länder wie England oder Skandinavien gilt“, so Harald Pohl. Mit Blick auf China haben sich in dieser Zeit die Rahmenbedingungen geändert, denn das Label „Made in Germany“ habe massiv an Image eingebüßt und sei kein Dosenöffner mehr, wie Harald Pohl sagt: „Es ist heute kein Vorteil mehr, aus Deutschland zu kommen.“ Vielmehr sieht sich Immergut im internationalen Wettbewerb mit Ländern wie Australien und Neuseeland konfrontiert, wo es im Vergleich zu Deutschland weniger Zollauflagen gibt.
Hinzu kommen Auflagen aus der Europäischen Union und steigende Energie- und Qualitätskosten in Deutschland, was den Wettbewerb aus deutscher Sicht erschwert. Liegt der zu beliefernde Markt außerhalb der EU, wie China, dann kommen noch ganz andere Gesetze und Voraussetzungen hinzu, die für Kopfschmerzen bei den Geschäftsführern sorgen. Allein die Registrierung für ein Katzenmilchprodukt für China habe fünf bis sechs Jahre in Anspruch genommen. Genau an dieser Stelle wünschen sich Pohl und Denhard Unterstützung der deutschen Behörden. Direkte Ansprechpartner, die einen auf dem langen Exportweg fachmännisch begleiten, das fehlt den Geschäftsführern. „Es gibt kaum Unterstützung, man muss alles selbst rausfinden“, nennt Harald Pohl die Auslegung von chinesischen Gesetzen als ein Beispiel, bei dem er sich wünscht, dass von einer Behörde Klarheit geschaffen wird. Die Realität sieht aber anders aus, oft sind die Gesetze Auslegungssache, was die Arbeit für das Schlüchterner Unternehmen erschwert. „Man stößt da oft gegen Fronten“, so Harald Pohls Erfahrung. Die Auslegung obliegt dann nämlich anderen zwischengeschalteten Akteuren wie etwa Veterinärmedizinern. „Wir Deutsche legen Gesetze immer extrem aus“, ist dem Geschäftsführer dabei aufgefallen. Immergut ist dennoch auf dem internationalen Markt erfolgreich, weil das Unternehmen laut Harald Pohl folgende Formel lebe: „Man muss sich als Firma positionieren, sich einen Namen machen und dann auch abliefern.“ Dabei helfe durchaus, dass der Standort Deutschland mit hohen Qualitätsstandards punkten könne.
Und so blickt die Schlüchterner Molkerei mittlerweile auf 130 Jahre Unternehmensgeschichte zurück. Zur Geburtstagsfeier sind dann auch internationale Geschäftspartner aus China, England und den Niederlanden angereist und haben mitgefeiert. Übrigens berichten die beiden Geschäftsführer, dass die internationalen Gäste stets angetan sind vom Bergwinkel. Die Wälder und das viele Grün ernten jedes Mal Bewunderung.
HIER zum Artikel im IHK-Magazin.